Herr und Diener: PORSCHE 962 C UND 996 GT1 EVO

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Es ist weder ein Duell noch ist es ein Treffen von Brüdern

Dies ist die Geschichte, wie Porsches erfolgreichster Langstrecken-Rennwagen überhaupt die Basis für den Le Mans-Werkswagen nahezu eine Dekade später wurde, einen Wagen, der dann Chancen auf den Gesamtsieg bei den 24h Le Mans 1997 hatte. Wir probierten diesen Porsche 996 GT1 Evo gemeinsam mit einem der im Rennsport am härtesten geforderten Porsche 962 aus. Diesen speziellen 962 mit einem einzigartigen Karbon-Chassis mit unterschiedlichen Karosserien brachte Kremer nicht weniger als sechsmal in Le Mans an den Start.

Ich fühlte mich sofort zu Hause in der kuscheligen „Blase“, die das Cockpit des Kremer-Porsche CK 6/03 darstellt: ein schönes Lenkrad, klare Armaturenbrett-Anzeigen, ein großer Schalthebel zur Bedienung der Fünfgang-H-Schaltung rechts von mir, einfach wundervoll – bis ich den Schlüssel links von mir, bei Porsche-Rennwagen üblich, umdrehte. Ich erschrak über die Brutalität des 3.0-Liter-Boxer-Doppelturbo, der mir meldete: „Ich bin nicht Dein Freund, was willst Du?“ Meine letzten Erwartungen, das würde ein netter Ausflug mit einem 800 bis 900 PS starken Le Mans-Porsche, flogen aus dem Fenster. Und ich hatte nicht einmal die Boxengasse verlassen..

Müssen wir den Porsche 962 noch vorstellen? Gemeinsam mit dem Porsche 956, von dem er abstammt, steht er für sieben Gesamstsiege an der Sarthe, wenn man den Dauer-Sieg von 1994 mit einbezieht. Das ist der ultimative Le Mans-Rennwagen von Porsche und darüber hinaus der beste Repräsentant der Porsche-Philosophie, auch den Porsche-Kunden die nahezu identische technische Ausstattung des Werkes zu erlauben – wie beispielsweise auch Reinhold Joest bewies, als er 1985 in Le Mans mit einem Porsche 956 B den brandneuen 962 der Porsche AG schlug.

Nach Joest stand auch der Name Kremer stets in engen Verbindungen zu Porsche. Das in Köln stationierte Team ist das einzige, das Le Mans im Gesamtklassement mit dem 935 gewann, 1979 mit dem K3. Kremer fuhr mit den 962 der Gruppe C in den 80er Jahren. „In der Zeit suchten wir nach etwas, das Kremer auf dem Fahrermarkt hervorhob“, erinnert sich der damalige Teamchef Achim Stroth. „Es gab das Werksteam, es gab Joest, der den 956-2 kaufte, und es gab uns mit einem Kundenwagen… wir alle buhlten um Fahrer. Es machte aber für ein privates Team keinen Sinn zu versuchen, an den Werksstandard heranzukommen, man konnte ihn nie erreichen. Nach den Unfällen, in denen Manfred Winkelhock und Stefan Bellof ihr Leben ließen, war klar, dass es bei den 956 und 962 ein Problem mit der Steifigkeit der Aluminium-Chassis gab. So baten wir unseren britischen Partner Thompson, der zu dieser Zeit unsere modifizierten Aluminium- Chassis fertigte, die Arbeiten an einem Karbon-Chassis zu beginnen. Wir entschieden uns für Karbon, weil zu diesem Zeitpunkt die Le Mans-Organisatoren das Reglement dahingehend veränderten, dass der 962 Zusatzgewicht auferlegt bekam. Wir versuchten das mit einer höheren Steifigkeit des Chassis zu kompensieren.“

Das Karbon-Chassis basierte exakt auf Zeichnungen für das Aluminium-Chassis, die Porsche Kremer geliehen hatte. Porsche selbst zeigte großes Interesse daran, als der Kremer-Porsche 962 CK 6 1990 herauskam, aber Porsche-Chefingenieur Norbert Singer fand die strukturellen Vorteile in der Steifigkeit vernachlässigbar, „weil es auf dem originalen Aluminium-Chassis basierte. Das Karbon-Chassis erfordert eine komplette Überarbeitung, um substanzielle Vorteile in der Steifigkeit zu bringen“, erklärte er. „Das mag stimmen im Hinblick auf die Gruppe C”, findet Stroth. „Aber dank des Karbons hatten wir auch die Möglichkeit aus dem Wagen einen Spyder zu entwickeln, wie es das WSC-Reglement später erforderte.“

Karbon ist auch das Geheimnis, warum Kremer diesen Wagen so lange einsetzen konnte. Chassis CK 6/03 wurde dreimal in Le Mans eingesetzt (1991, 92 und 93) und später entstaubt aus dem Museum gerollt. Und dann kam er zu weiteren drei Le Mans-Einsätzen in K8-Spyder-Form (1996, 97 und 98, beim letzten Mal nicht qualifiziert). „Es war uns möglich, ihn dem Reglement für die offenen WSC-Rennwagen anzupassen. Das erforderte unter anderem einen größeren Fußraum und ein breiteres Cockpit, das hätten wir mit einem Aluminium- Chassis nicht hinbekommen“, sagt Stroth. CK 6/03 wurde bis 1999 sowohl in Karbon- als auch in Aluminium-Ausführung eingesetzt und verblieb bis 2011 in der Kremer-Werkstatt, bevor ihn ein belgischer Sammler übernahm und ihm wieder das schöne „Kenwood“-Design verpasste, mit dem Manuel Reuter, John Nielsen und Giovanni Lavaggi 1992 in Le Mans auf den siebten Platz kamen. Das ist sein bestes Ergebnis überhaupt in Le Mans. Manuel Reuter gewann dann ein Rennen in der Interserie mit dem Auto. Ende 2015 kaufte der Deutsche Jan B. Lühn den Wagen und ließ ihn durch Mike Gensemeyers Britec Motorsports rennfertig machen. „Wir haben auch die ‚K8 Repsol‘-Karosserie, und es ist möglich, ihn in die Spyder-Form umzubauen… theoretisch; aber bitte verlangt es nicht von mir“, lacht Mike Gensemeyer. Es gab einmal ein wenig Irritationen, weil Kremer Chassis 03 einmal als 02 verkaufte, aber Stroth bestätigt, dass es sich definitiv um Chassis 03 handelt – oder „Manuels Wagen“, wie er das gern ausdrückt.

Als CK 6/03 noch im Einsatz war, wandte sich Porsche neuen Planungen zu. Die Gruppe-C-Kostenspirale geriet außer Kontrolle, und so war die Gruppe C hiernach mangels Konkurrenten schnell Geschichte. In der neu eingeführten GT-Meisterschaft namens BPR-Serie zeigte sich der Porsche 911 GT2 Turbo nicht als die beste Wahl. Norbert Singer war schnell klar, dass der 911 GT2 auf Dauer gegen den aufkommenden McLaren F1 nicht konkurrenzfähig sein würde. Für 1994 konnten Singer und Jochen Dauer den ACO in Le Mans noch mit der Dauer 962-„Straßenversion“ überlisten, aber der McLaren kam erst 1995… und siegte dann in Le Mans. So kam Porsche 1996 mit einer neuen eigenen Idee: dem ultimativen 911-Rennwagen.

Wie beim 935 in den 70er Jahren stellte Porsche regelrecht den Geist des Regelbuches auf den Kopf, sie machten, was sie wollten: eine „Hochzeit“ zwischen dem 911 und dem 962. Alle seinerzeit in der BPR-Serie konkurrierenden Fahrzeuge waren von der Basis her Straßenfahrzeuge, die an Rennen teilnahmen: McLaren F1, Jaguar XJ 220, Ferrari F 40 oder Lotus Esprit. Porsche ging den gegenteiligen Weg und machte den Rennwagen, den Norbert Singer im Kopf hatte, konform mit europäischen „Straßenfahrzeug“-Regeln. Am Ende war eine solche Herangehensweise auch verantwortlich für den Untergang der GT1-Kategorie. Aber konnte man es Porsche wirklich verdenken, als die BPR lediglich „production run“ vorschrieb, um Bewerber in der GT1-Klasse zu sein?

In der GT1 war ein längerer Radstand erlaubt, und das löste alle Probleme Norbert Singers. In seiner Autobiografie „24:16“ bekundete Porsches führender Motorsport- Ingenieur, er hätte seit dem Ende der 935-Tage von einem Mittelmotor-911 geträumt. Das erlaubte ihm, für den GT1 einen properen Venturitunnel zu entwickeln und dort zu platzieren, wo sonst der 911-Motor platziert wäre. Singers „idealer“ 911 wartete mit der Front-Struktur des 993-Straßenfahrzeugs auf, weil diese schon etliche Crashtests für die Homologation bestanden hatte. Hinter dem Fahrer endeten alle Ähnlichkeiten mit einem Straßenfahrzeug bei der Spritzwand (Brandwand?). Dahinter war es vom Prinzip her ein 962. Der Motor basierte auf dem Turbo-Boxer-Sechszylinder des 962, aber aufgebohrt auf 3.164 ccm. Die Motorleistung lag bei nahezu 600 PS. 1997 brachte Porsche die “Evo”-Version heraus, die hier zu sehen ist. Sie wartet mit den Frontscheinwerfern und den Türgriffen des 996-Modells auf. Des Weiteren war der Motor leicht optimiert worden. Wegen Änderungen im Reglement baute Porsche 20 Straßenversionen des GT1 Evo. Die FIA forderte 25 Exemplare. 1996 brachte Porsche Porsche in Le Mans einen Klassensieg und Podiumsplätze im Gesamtklassement, aber dieser GT1 Evo hätte 1997 Le Mans im Gesamtklassement gewonnen – wenn das Rennen am Sonntagnachmittag um 1.40 Uhr zu Ende gewesen wäre…

„Die Evo’s waren das ganze Wochenende die schnellsten Wagen in punkto Durchschnittsgeschwindigkeit“, erinnert sich Ralf Kelleners, der im Juni 1997 die Startnummer 26 der Porsche AG fuhr. „Wir führten am Sonntagnachmittag gegenüber dem Joest WSC mit einer Runde Vorsprung. Ich hatte gerade Norbert Singer gefragt, ob ich etwas Gas herausnehmen sollte, um den Sieg zu sichern. Aber er stimmte dagegen, ich sollte den Speed halten. Ich befand mich gerade auf meiner outlap in die Boxen, um zu tanken. Der Wagen war bis dahin wie ein Uhrwerk gelaufen, aber plötzlich hatte ich keinen Gang mehr übrig. Ich blieb auf dem Gas, rollte über die Mulsanne-Gerade in der Hoffnung, noch die Boxen zu erreichen. Plötzlich war Rauch im Cockpit, und es war mir klar, dass das kein Getriebeproblem war. Es kamen Flammen aus dem Motor, als ich den Wagen parkte. Ich war am Boden zerstört. Ich stand noch da, als der nächste Wagen in Führung, der McLaren, 20 Minuten später ebenfalls in Flammen vorbeikam. Aber ich war zu sehr mit mir selbst beschäftigt, um es wirklich zu realisieren. Beide Feuer standen nicht in Zusammenhang, unseres wurde später als ein Ölleck diagnostiziert. Ich machte mir zu der Zeit aber wirklich keine Gedanken, was es war, ich war nur sehr traurig, dass mir der Le Mans-Sieg durch die Finger geglitten war. Obwohl, ich ließ solche Gefühle schnell hinter mir, ich wollte immer ein Rennfahrer sein aus Lust am Fahren, nicht an Rennsiegen. Meine Jahre mit Porsche und Toyota waren sicher die besten meiner Karriere, kein Zweifel.“

Wir sind nun 20 Jahre weiter, aber das würde man nicht sagen, wenn man auf beide Autos schaut, den Kremer CK 6 und den GT1 Evo. Sie zwingen dich, sie mit Respekt zu betrachten, pure Rennwagen, jeder in seiner Art. Nur ein Verrückter würde glauben, es handele sich um einen straßentauglichen GT, wenn er mit dem 911 GT1 konfrontiert wird. Das ist jeder Zoll ein Rennwagen, wie ihn Porsche innerhalb des Reglements entwickeln konnte. „Verglichen mit dem Toyota GT One, den ich später fuhr, war der Porsche definitiv mehr ‚Straßenfahrzeug‘“, sagt Kelleners. „Der Toyota GT One war nur entwickelt worden, um Le Mans zu gewinnen. Der Porsche war mehr ein Allrounder, aber präpariert, wie ihn nur das Porsche-Werk präparieren konnte. Er hatte die Power, das Chassis und eine Aerodynamik, wie ein Fahrer sie brauchte. 1997 fuhr ich auch den normalen GT1 des Roock Teams. Der GT1 Evo hatte aber deutlich mehr Abtrieb von 140 km/h an aufwärts. Im Rennen waren wir schneller als der WSC-Wagen des Joest Teams, kein Zweifel. Ohne den Zwischenfall hätten wir Le Mans 1997 gewonnen.”

Wenige historische Fakten fallen nicht schmeichelhaft aus für die Chassisnummer 05 der Porsche AG. Die 112 Runden, die der Wagen in Le Mans führte, waren schon das Highlight. In der FIA-GT-Meisterschaft des Jahres war er gegen die Mercedes CLK GTR und den Langheck-McLaren F1 GTR nicht wirklich konkurrenzfähig. 1998 wurde er von Porsche of America in den USA als Semi-Werkswagen eingesetzt mit dritten Plätzen in Sebring, Road Atlanta, Watkins Glen und Petit Le Mans. Er beendete seine Rennkarriere in den Händen von Gunnar Jeanette im schwarzen „Texaco“- Design bei den 24 h Daytona 2001 auf einem einsamen 78. Platz.

Der gegenwärtige Eigentümer Jan B. Lühn in das 97er Design versetzen lassen. „Das stellte sich als die schwierigste Aufgabe heraus“, sagt Mike Gensemeyer, der den Wagen betreut. „Die Innenseite der Radläufe war – und ist – immer noch original weiß wie 1997. Aber wir mussten die ganze ursprüngliche Farbgebung wiederherstellen. Das mag ikonisch sein, aber wir hatten nur ein Modell, mit dem wir starten konnten. Es kostete vier Wochen, das wieder in den Zustand zu bringen, wie hier zu sehen – es gibt hier keine Folien, jede Kleinigkeit ist lackiert. Geh nur näher heran, und du kannst immer noch die Kampfspuren aus den damaligen Rennen am Ende des Karbon-Diffusors sehen. Er hat nur fünf Laufstunden seit der letzten Motor-Revision. Das Schwieirge bei diesem Wagen ist das spezielle Elektronik-Management, entwickelt von TAG Heuer für Porsche. Wir tappen im Dunkeln, wie es wirklich funktioniert, wenn allein etwas auf der elektronischen Seite schief geht, werden die Dinge kompliziert.“

Das ist ein bisschen anders beim Kremer CK 6, stelle ich fest. „Hier haben wir das Bosch System gegen eins von Motronics ausgetauscht, das ist viel angenehmer zu händeln.“ Ich hatte eine etwas mehr analoge Ausstattung erwartet, fand aber eine komplett digitale Instrumententafel vor. Er verfügt auch über eine am Heckflügel befestigte nach hinten gerichtete Kamera, die Bilder auf ein Display im Interior überträgt. Der Heckflügel ist nicht exakt jener, den er auf dem Weg zum siebten Platz in Le Mans 1992 trug, aber es ist der Typ Heckflügel, der auf der Getriebebox befestigt ist. Auch stand er ohne Hinterradabdeckungen da.

Es war nun Zeit herauszufinden, wie sich beispielsweise ein Manuel Reuter fühlte, mit diesem Auto Rennen zu fahren. Als Erstes musst du ein Akrobat beim Einsteigen sein. Zwar hat die Cockpit-“Blase” eine große Öffnung, aber die seitlich montierten Kühler erweisen sich als besondere Hürde. Mit einer Hand ergreifst du fest den Überrollkäfig, dann stellst du einen Fuß in den Sitz, dann den anderen. Schließlich versuchst du zur selben Zeit mit deinem Körper in den Sitz zu gleiten, während du deine Füße im Fußraum unterzubringen versuchst. Es ist weder ein eleganter Einstieg noch ist es eine elegante Sitzposition. Ich fand mich selbst in einer Form von Badewanne liegend wieder mit meinen Füßen zwischen den Vorderrädern. Aber halt, das ist der 962 in dieser speziellen Sicherheitsausführung, richtig? Aber ich muss sagen, nachdem die Türen geschlossen waren, fühlte ich mich gut in dem engen Cockpit – so lange, bis ich den Boxer-Sechszylinder weckte. Er gibt sich rüpelhaft, laut, ganz gemäß dem Einsatzzweck. Wenn du eine Oper hören willst, geh nach Italien. Für Deutsche spielt nur das Business eine Rolle. Mir wurde für das Fahren ein einziger Ratschlag mit auf den Weg gegeben: „Du siehst alle diese Knöpfe? Berühre keinen davon, fahr einfach nur.“ Mit einem dumpfen Schlag wurde die Tür geschlossen, und ich wurde auf den Weg geschickt.

Mit niedrigen Drehzahlen auf kalten Dunlop- Reifen hoppelte der Kremer-Porsche zum Ende der Boxengasse. Ich kenne mich nicht aus mit den meisten Layouts der Rennstrecken und entschied, es easy anzugehen. Der CK 6 aber machte es allerdings nicht nur nicht easy, er hat auch „keine Ahnung“, wie „easy“ geht. Er lehnte es ab, die Kurve so zu nehmen, wie ich es wollte, und ohne richtig Antrieb reagierte er nirgendwo präzise. Das Schalten der Gänge ist auch nicht unkompliziert, und ich wählte den vierten Gang statt des zweiten – dann ging es besser in den Kurven.

Auf der Geraden nahm ich alle meine Courage zusammen und ihn mir zur Brust. Man hört oft, dass man dann von der schieren Beschleunigungskraft des Wagens nach vorn katapultiert wird. Und das ist so, du wirst katapultiert. Wenn die Drehzahlen über 4.000/min steigen, befindest du dich in einer neuen Dimension, in einer, die eine Neukalibrierung des Gehirns erfordert. Wenn du jemals fühlen willst, was der Ritt auf einer Kanonenkugel ist, das ist er. Die Beschleunigung ist irrsinnig. Ich sah den Ladedruck bei 1,2 bar bei etwas über 6.000/min und entschied, ich hätte genug gesehen, und wählte den nächsten Gang. Es zischte und schnaufte bei jedem Gangwechsel, und er spie Flammen beim Zurückschalten. Ich hatte meine liebe Not, den Wagen in der richtigen Spur zu halten. Gerade auf der Geraden hüpfte er herum wie ein Teenager nach der Einnahme von Pillen, sehr einschüchternd, bedrohlich, um es genau zu sagen. Man stelle sich vor, man würde Rad an Rad in einem Pulk mit anderen 962 im Rennen liegen und versuchen, nicht die Kontrolle zu verlieren. Du solltest ein Verrückter sein. Wer sagte „Es gibt nichts Besseres als genug Power“? Ich hatte mehr als genug davon. “Oh, aber du hattest nur den Basis-Ladedruck”, lachte Mike Gensemeyer beim Gespräch nachher. „Bei vollem Ladedruck hättest Du ungefähr 900 PS gehabt. Ich denke, in den richtigen Händen würde dieses Auto um Siege in den Historischen Gruppe C-Rennen kämpfen“, sagte Lühn.

Was mir am meisten auffiel, war die Schwierigkeit, in eine Kurve mit niedrigen Geschwindigkeiten zu gehen. Du musst sehr agressiv mit der Front hineinstechen, um die Reifen auf Temperatur zu bringen. „Es ist wahr, dieses Auto erfordert einen agressiven Fahrstil“, bestätigte Achim Stroth. „Aber Manuel Reuter beherrschte das excellent. Er produzierte einen ein bisschen wilden Fahrstil und erzielte einige tolle Resultate mit dem Auto. Ich denke wirklich, dieses Auto erfordert einen erfahrenen Piloten, einem Amateur würde es nie möglich sein, die Stärken des Autos herauszufinden.“

Ich bewegte mich in die ganz andere Welt des 911 GT1 Evo. Ich bekam Servolenkung und hätte vor Freude laut schreien können. Du kannst den Straßencharakter des 911 schnell und klar erkennen, auch wenn das komplette Armaturenbrett ersetzt wurde durch eine Instrumententafel mit Digitalanzeigen. Als ich bestens im Sitz festgeschnallt war, beeindruckte mich die Geschichte dieses speziellen 996 GT1 noch einmal, schon als ich leicht das Lederlenkrad berührte, erinnerte ich mich an die Namen der Fahrer, die es vorher in den Händen hatten – alle Legenden: Hans-Joachim Stuck, Thierry Boutsen, Bob Wollek, Allan McNish, Yannick Dalmas, Emmanuel Collard und Ralf Kelleners, sie alle fuhren in Le Mans. Paul Newman wählte diesen Wagen als seinen letzten „großen“ Rennwagen in Daytona 2001 mit Gunnar Jeanette. Lasst uns hier nicht den Wert des Autos diskutieren, ihn zu beschädigen wäre geradezu ein krimineller Akt. Statt liegend das Lenkrad in der Hand zu halten, sitzt du im GT1 mehr aufrecht und weiter zurück. Das macht einen großen Unterschied aus im Hinblick auf das Vertrauen in den Wagen. Im Vergleich zum 962 empfängt dich der 911 GT1 mehr willkommen.

Wie beim 962 startest du auch den Evo mit einem Schlüssel, diesmal aber mit einer Hand am Schlüssel und der anderen am dieselbe, inzwischen gewohnte: „Was?“ Zündschalter. Die Antwort im Rücken ist Das Knurren lässt dein Rückgrat klingeln. Wie beim 962 hat auch der Boxer-Motor im GT1 mit dem 70 km/h-Speed-Limit in der Boxengasse seine Probleme warm zu werden. Bei „Grünlicht“ offenbart sich aber ein völlig anderes Auto. Als der GT1 Evo erschien, war der 962 immer noch in Rennen unterwegs, aber die beiden könnten nicht unterschiedlicher im Charakter sein. Der Evo fördert sofort eine gewisse Verbundenheit. Turboloch? No sir, dieser Wagen beschleunigt sofort genau entsprechend der steigenden Drehzahlen. Diesmal fühlte ich mich weniger bezwungen. Nach einer schnellen Eingewöhnung startet bereits das Gefühl, dass du problemlos an die Arbeit gehen kannst. Er gehorcht mehr deinen Kommandos. Man steuert ihn behutsam auf dem Gas aus der Kurve und schaltet instinktiv die sech Gänge durch – das ist das beste Getriebe, das mit jemals vorkam, leichtgängig, schnell und präzise. Die Servolenkung macht die Dinge leicht, wenn du Speed aufbaust. In diesem Wagen kommt wirklich das Gefühl auf, die Dinge werden funktionieren. Der Evo versucht dein bester Freund zu sein, wo der 962 sich verhielt, als hätte er dich im Bett mit seiner Frau erwischt. Im 962 nahm ich die Vierte-Gang-Rechtskurve mit aller Vorsicht, die ich für nötig hielt, und war nie sicher, ob ich gut herauskommen würde – und ich nahm sie im dritten Gang. Im GT1 Evo blieb ich im vierten Gang mit mehr Power – und es passierte nichts Schlechtes.

„Der GT1 war nie schwierig”, erinnert sich Ralf Kelleners. „Er war entwickelt halb als 911 und halb als Rennwagen, aber das machte so viel Sinn, wenn du einmal hinter dem Lenkrad sasst. Du konntest ihn so toll kontrollieren und fühltest dich sicher. Ich erinnere mich, wir fuhren einfach zu den Rennen und fuhren die Rennen. Alles was Porsche machte, war ein bisschen an den Setups zu tüfteln und dann starteten wir die Diskussionen der Strategie für die Rennen. Das wars.“

Wenn Chassis 05 in Le Mans nur zwei Stunden länger durchgehalten hätte, hätte es alles bewiesen, was Porsche in der GT1-Kategorie beweisen wollte. Für 1998 folgte Porsche dann der Mercedes-Linie und baute einen GT1-Rennwagen weg vom straßentauglichen 911. Am Ende aber töteten Mercedes, Porsche und Toyota die GT1-Philosophie, in dem sie Rennwagen schufen, die nur noch in der Theorie entfernt von Straßenfahrzeugen abstammten. Le Mans eröffnete die Pforten wieder für Rennprototypen, und einige Herren in Ingolstadt waren daran sehr interessiert.

Mein spezieller Dank gilt dem Autodrom Most in der tschechischen Republik, Britec Motorsports und Jan B. Lühn für ihre Hilfe, diesen Artikel so schreiben zu können. Wer Interesse an diesen Wagen hat, kann sehr gern Jan B. Lühn kontaktieren.