Formel 1 1948

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Grand Prix-Saison 1948: Vor 70 Jahren setzte sich die Bezeichnung „Formel 1“ durch

Der Zweite Weltkrieg hatte in Europa für rund fünf Jahre auch sämtliche Motorsport-Aktivitäten „verstummen“ lassen. Und dennoch – als die Überlebenden nach seinem Ende eigentlich noch viel größere Sorgen hatten – „erholte“ sich dieses Treiben doch bemerkenswert schnell von der Zwangspause. Schon am 9. September 1945 fanden im Pariser Park „Bois de Boulogne“ auf einem 2,826 Kilometer langen Rundkurs die ersten Nachkriegsrennen in drei verschiedenen Fahrzeugklassen statt. Auch der „Coupe des Prisonnieres“ („Pokal der Gefangenen“), wie das Hauptrennen im ehemals besetzten Frankreich sinnigerweise hieß, hatte etwas von „Hurra, wir leben noch“, auch das erste Aufbrüllen von Rennmotoren weckte die Überlebensgeister. Diesen Quasi-Grand Prix über 43 Runden gewann der französische Bugatti-Star der 30er Jahre, Jean-Pierre Wimille, unter anderem mit dieser Marke Le Mans-Gesamtsieger 1937 und 1939, auf einem Bugatti T 59/50 B vor seinen Landsleuten Raymond Sommer auf Talbot T 26 MC, eineinhalb Minuten zurück, und Eugéne Chaboud auf Delahaye 135 S, drei Runden zurück. Die Franzosen – hier fand ja 1894 mit der „Fernfahrt“ Paris-Rouen auch das allererste Autorennen überhaupt statt – waren wieder einmal ganz flott in Fahrt gekommen.

Der „Startschuss“ machte Mut, immerhin waren im „Coupe des Prisonnieres“ schon 16 Rennwagen an den Start gerollt. Und so lebte der bedeutende europäische Motorsport, da den Deutschen als Kriegsverursacher die Starts im Ausland erst einmal verboten waren (bis 1949), abgesehen einmal von hier auch schwersten Zerstörungen in der Automobilindustrie, zunächst vor allem in Frankreich, Großbritannien und Italien wieder auf. Es war ein durchaus schwieriger Beginn, Treibstoff oder auch Reifen waren anfangs noch kaum verfügbar. Auch die ersten Grand Prix-Rennen 1946, noch nach dem letzten Vorkriegsreglement (Motorhubraum höchstens drei Liter mit oder 4,5 Liter ohne Kompressor) ausgetragen, wurden häufiger auf Stadtstraßen oder in Parks ausgefahren, damit die Zuschauer sie auch zu Fuß erreichen konnten.

Der Enthusiasmus hingegen zerrte immer mehr Vorkriegsautos aus den Verstecken. Allerdings warteten da die Starterfelder sogar bei den „Grand Prix“ genannten Rennen noch mit einem relativen Sammelsurium an Rennfahrzeugen auf, durchaus nicht alles Formelwagen, wie beispielsweise auch Alfa Romeo 2900 B, Amilcar C 36 Pegase, BMW 328, Fiat 508 Ballila, Jaguar SS 100 oder Simca 8 nicht. Gelobet war, was zumindest sportlich, sportlich zu bewegen war und erfinderisch wieder ans Laufen gebracht werden konnte. In punkto Rennsiege dominierten italienische Vorkriegs-Formelwagen vom Schlage eines Alfa Romeo Tipo 308, Tipo 158 oder Maserati 4 CL, zu den siegreichen Fahrern zählten vornweg Italiener wie Luigi Villoresi, letztmals der große Tazio Nuvolari, Giuseppe Farina oder Achille Varzi sowie die Franzosen Raymond Sommer und Jean-Pierre Wimille sogar wiederholt. Ein Europameister der Fahrer, wie vor dem Zweiten Weltkrieg, wurde aber nicht mehr, und auch nicht in den nächsten Jahren ermittelt.

Mehr als 60 Prozent aller „Grand Prix“ 1946 und anderer Rennen für Grand Prix-Wagen, die samt und sonders aus der Vorkriegszeit stammten, fanden in Frankreich statt. Und hier wurde auch seit der Gründung der AICAR (Association Internationale des Automobil-Clubs) 1904 in Paris die Reglement-Politik bestimmt. Dieser 1946 in FIA umbenannte Dachverband überdachte noch im Lauf jenen Jahres dann das Regelwerk für Grand Prix-Wagen neu. Ein Dreiliter-Reihenachtzylinder-Alfa Romeo 308 mit Kompressor und knapp 300 PS beispielsweise fuhr den französischen Grand Prix-Wagen vom Schlage eines Delahaye oder Talbot-Lago mit 3,6- oder 4,5-Liter-Reihensechszylinder-Saugmotoren – weiterentwickelt aus Rennsportwagen beziehungsweise nur solche ohne Kotflügel und mit abgedecktem Beifahrersitz – mit mindestens 80 PS weniger Motorleistung natürlich gnadenlos davon…

So kreierte die FIA nun eine Grand Prix-„Formel A“ für Saugmotoren mit maximal 4,5 Liter Hubraum, für Motoren mit Kompressor hingegen mit einem Hubraum von jetzt maximal nur noch 1,5 Liter. Zwar waren damit die Dreiliter-Kompressor- Rennwagen künftig verbannt (tauchten dennoch gelegentlich vereinzelt noch bei Rennen auf), dafür war aber nun die nachrangige Vorkriegsformel „Voiturette“ (Hubraum maximal 1,5 Liter mit Kompressor) quasi in die „Formel A“ integriert. Das war insofern kein ungeschickter Schachzug, als er unter anderem auch die diversen Vorkriegskonstruktionen des englischen „Voiturette“-Herstellers ERA „adelte“ und auf Dauer auch so die Starterfelder vergrößerte.

Das erste Rennen mit 20 Startern nach genau diesem Reglement war der Grand Prix von Turin im Valentino Park am 1. September 1946 über 60 Runden, der mit einem Doppelsieg der Werks-Alfa Romeo Tipo 158 (ehemals „Voiturette“-Formel) von Achille Varzi nur 0,5 Sekunden vor Jean-Pierre Wimille endete. Raymond Sommer im Maserati 4 CL (ehemals „Voiturette“-Formel) lag zwei Runden, der Franzose Eugéne Chaboud im Delahaye 135 S gar fünf Runden zurück… Schon da entwickelte der Reihenachtzylinder mit Kompressor im Alfa Romeo Tipo 158 „Alfetta“ mit rund 250 PS ebenfalls deutlich mehr Motorleistung als jegliche Konkurrenz. Rückblickend betrachtet kann dieses Rennen in Bezug auf das Reglement als erstes „Formel-1-Rennen“ in der Geschichte betrachtet werden, obwohl die Rennwagen-Kategorie noch nicht so hieß.

1947 konsolidierten sich die Starterfelder zumindest bei den „Grands Prix“ im Hinblick auf das neue Reglement, nicht kompatible Autos blieben seltene Ausnahmen, wenn auch immer noch „verkappte“ französische Vorkriegs-Rennsportwagen Formel-getrimmt erschienen. In diesem Jahr entschied die FIA, neben die Grand Prix-„Formel A“ ab 1948 auch wieder eine nachrangige Formel, zunächst namens B dazuzustellen (Saugmotoren mit maximal 2,0 Liter Hubraum, Kompressormotoren mit maximal 500 ccm Hubraum), um auch Herstellern kleinerer Fahrzeuge eine Formel-Klasse bieten zu können. Im Oktober 1947 kündigte sie an, dass mit Wirkung ab 1. Januar 1948 die neue Grand Prix-Formel die Top-Serie sein würde. Von da an setzte sich in den Berichterstattungen mehr und mehr die Begriffe „Formel 1“ und „Formel 2“ durch, die das Ranking noch treffender beschrieben. Auch das deutsche Nachrichten-Magazin „Der Spiegel“ beispielsweise verwendete in einem rückblickenden Artikel auf die Motorsport-Saison am 6. November 1948 bereits die Unterscheidung „Formel I“ und „Formel II“, hier mit römischen Ziffern.

In der Grand Prix-Formel-1-Saison 1948 wurden dann mit dem Ferrari Tipo 125, dem Maserati 4 CLT/48 und dem Talbot-Lago T 26 C auch die ersten bedeutenden Neu- und Nachkriegs-Konstruktionen präsentiert, die der „Formel 1“ zusätzlich innovativen Schub und Touch verliehen, die Nachkriegsmarke Ferrari war sogar innerhalb nur rund eines Jahres nach Unternehmensgründung auch hier mit dabei. Die 14 „Grand Prix“ titulierten Läufe fanden bereits in den sieben Ländern Frankreich, Schweiz, Monaco, Italien, Niederlande, Großbritannien und Spanien statt und gingen in punkto Siege mehrheitlich an Maserati-Piloten, davon sieben an Fahrer des neuen 4 CLT/48. Allerdings griff Alfa Romeo mit den Werks-Tipo 158 erst zur Saisonmitte in das Geschehen ein und gewann alle vier Rennen mit Werksbeteiligung dann sehr deutlich, unter anderem mit Vierfach-Triumph in Monza, Dreifach-Sieg in Reims und Doppelsieg beim Grand Prix der Schweiz. In Rennen mit anderen Namen kamen auch die ERA-Piloten Bob Gerard und Geoffrey Ansell („Jersey Road Race“, St. Helier und „British Empire Trophy“, Douglas) sowie Giuseppe Farina im Ferrari Tipo 125 („Circuito di Garda“) zu Siegen, im letzteren Fall der erste Formel-1-Triumph eines Ferrari überhaupt. Der erste Sieg mit dem neuen Talbot-Lago T 26 C war dem Franzosen Louis Rosier beim „Grand Prix du Salon“ im Oktober 1948 in Montlhéry bei Paris gelungen.

An Grand Prix-Siegen gemessen erfolgreichster Fahrer des Jahres war der Mailänder Luigi „Gigi“ Villoresi im Maserati 4 CLT/48 mit vier in Comminges, Albi, Großbritannien in Silverstone und Pedralbes in Spanien vor Alfa-Werkspilot Jean-Pierre Wimille mit drei in Reims, Turin und Monza. Die Formel-1-Fahrer-Garde jener Ära – in aller Regel mit erfolgreicher motorsportlicher Vergangenheit vor dem Krieg – repräsentierten „gestandene Männer“, die größtenteils im Krieg auch schon Einiges hinter sich gebracht hatten, die konnte nichts mehr erschrecken. Allein das Durchschnittsalter der Grand Prix-Sieger 1948 lag bei 39 Jahren, da war der 30-jährige Mailänder Alberto Ascari, der mit einem Maserati 4 CLT/48 in San Remo seinen ersten Grand Prix überhaupt gewann, vergleichsweise mit größerem Abstand der „Jungspund“.

Giuseppe Farina beispielsweise war im Zweiten Weltkrieg Heeresoffizier gewesen, sein Landsmann Carlo Felice Trossi Pilot in der italienischen Luftwaffe. Die Franzosen Raymond Sommer und Jean-Pierre Wimille hatten eine aktive Mitgliedschaft in der Widerstandsbewegung Résistance überlebt, im Gegensatz zu ihren namhaften Rennfahrer-Kollegen William Grover-Williams und Robert Benoist, die in Konzentrationslagern hingerichtet worden waren…