Das legendäre Le Mans Classic

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Le Mans Classic – der Klassiker ohnegleichen

Wer vom 6. bis 8. Juli 2018 zur 9. Ausgabe der Le Mans Classic an die Sarthe kam, wusste, was er tat. CURBS schickte diesmal zwei Redakteure ins Rennen, die auf insgesamt sechs Autos gemeldet waren. Ob als Fahrer, Zuschauer, Mechaniker, Teamchef, Journalist oder Gewerbetreibender – jeder will die einzigartige Faszination dieses Events der Superlative im Historischen Motorsport alle zwei Jahre verspüren. Es gibt weltweit eine Reihe von exzellenten Events, die hohen Reiz bei Fahrern auslösen und auch bei Zuschauern für große Begeisterung sorgen – es seien nur erwähnt: Goodwood, Silverstone und Spa Classic, Grand Prix de Monaco Historique und AvD Oldtimer Grand Prix Nürburgring. Selbst die Mille Miglia oder die Carrera Panamericana können sich da einreihen. Aber das, was Patrick Peter mit seiner Organisation und der ACO mit den Le Mans Classic geschaffen haben, ist weltweit einmalig. Das muss man erklären. Mittwochs vor dem Rennwochenende öffnen sich für Teilnehmer, Trucks und Motorhomes die Paddocks und das Riesenareal Camp Houx, um ab 14:00 Uhr zwei Tage lang die schier unendliche Karawane von Renntransportern und Wohnmobilen einzulassen. Alleine 600 Motorhomes erinnern eher an eine Caravan- Messe als an einen Motorsportevent. Teams oder befreundete Teilnehmer stehen letztendlich in Wagenburgen zusammen und frönen an vier Tagen unendlicher Benzingespräche. Die 450 Rennwagen der sechs  Le Mans Classic-Epochen-Grids finden Platz in sechs Zeltstädten hinter den Boxen. Die 250 Rennboliden der drei Zusatzrennen sind unter weiteren Zelten positioniert: Group C, Porsche Classic Race und Jaguar Classic Challenge. Im Infield des Bugatti- Circuits haben 153 Markenclubs mit zirka 15.000 Sportwagen – nach Modellen geordnet – ihre Showbühne – 153 Marken! Man weiß gar nicht, welches Modell mit sportlichen Genen hier fehlen würde.

Aber nun zum Kern und der Einmaligkeit der Le Mans Classic an sich: Drei Wochen nach den berühmten 24h von Le Mans pilgern die Fans wieder an die Rennstrecke, diesmal so viel wie nie – 135.000! (In Hockenheim gab es im Juli beim Formel- 1-Grand Prix ebenfalls einen Zuschauerrekord: 165.000). Nun haben 24h-Rennen schon immer die Massen fasziniert, und rund um die Nordschleife ist die Lagerfeuerromantik legendär. Aber 24h-Rennen für historische Rennwagen gibt es nun einmal keine mehr. Das Besondere an den  Le Mans Classic ist der Spannungsbogen, den dieses 24h-Rennen mit Rennwagen von 1923 bis 1981 aufbaut. Natürlich starten nicht 450 Autos zusammen, sondern in sechs Grids à 75 Rennwagen aus der jeweiligen Epoche. Bei drei Umläufen für jeden Grid mit jeweils 43 Minuten Renndauer, gibt es also – über 24 Stunden verteilt – insgesamt 18 Starts, Tag und Nacht. Erst sonntags um 16:00 Uhr ist entschieden, welche Autos im jeweiligen Grid die Podiumsplätze einnehmen. Im letzten Heft habe ich in meinem Vorbericht schon erklärt, dass jedoch der eigentliche Vater des Gedankens ein ganz und gar anderer ist: nämlich – welches Team, bestehend aus sechs Autos (je ein Auto aus jeder Epoche), erzielt als Staffel nach Ende des 24h-Zeitraums die beste Gesamtzeit. Diese sechs Autos mit jeweils ein bis drei Fahrern sind die wahren Sieger der Le Mans Classic. Der Spannungsbogen beginnt freitags um 10:00 Uhr mit den Trainingsläufen, welche bis 03:00 Uhr am Samstagmorgen andauern.

Die Ouvertüre zu den 24h der  Le Mans Classic bilden sodann drei einstündige Rahmenrennen: Jaguar Classic Challenge, Group C und Porsche Classic Race. Beide CURBS-Redakteure, der dreifache Le Mans-Gewinner Marco Werner und ich, waren involviert. Marco belegte in der Gruppe C auf einem Porsche 962 C den neunten Platz. Hier gewann Michael Lyons auf einem Gebhardt C9, schnellste Runde Michel Lecourt auf Porsche 962 C mit 3:56,6 Minuten. Ich selbst wurde im Porscherennen (Baujahre 1953 bis 1974) auf einem 72er 2,8 L. RSR 16. im Gesamtergebnis. Hier war Uwe Bruschnik auf seinem Porsche 910 von 1967 der Gewinner. Schnellster im Feld war Ewen Stievenart auf Porsche 908 Langheck mit einer Runde in 4:40,7 Minuten. In der Jaguar Classic Challenge konnte sich Marcus Graf Oeynhausen auf Platz zwei behaupten. Sieger war Martin O ´Connell, beide auf Jaguar E. Besonders auffallend war in diesem Lauf, dass bei 55 Startern die Jaguar E-types die Plätze 1 bis 21 einnahmen (!). Graf Oeynhausen erzielte auch die schnellste Runde mit 4:49.7 Minuten. Vor vollen Tribünen startete am Samstag um Punkt 16:00 Uhr das Hauptrennen mit 75 Vorkriegsboliden per klassischem Le Mans-Start. Die Wagemutigen sprinteten zu Ihren Talbot 105, Bugatti Type 35 oder BMW 328 oder Alfa 8C oder Lagonda LG 45, um nur Einige zu nennen. Vorjahressieger Christian Traber konnte nach dem Training nicht mehr starten, und so ging der Sieg an G. Burnett, der auf einem unwirklich schnellen Talbot dem Feld enteilte.

Die  Le Mans Classic ist die Historische Rennveranstaltung, bei der es sich der Veranstalter seit Jahren leisten kann, pro Grid eine Reserveliste von sechs Autos aufzustellen, die bei zirka halber Nenngebühr antreten können – aber keine Garantie auf eine Teilnahme haben. Das entscheidet sich je nach Ausfällen im Training oder nach den ersten Rennläufen. Dieses Businessmodell ist im Historischen Motorsport einzigartig und genießt bei Fahrern und Geschäftsleuten höchsten Respekt. Das geht aber nur, weil die Nachfrage seit 16 Jahren das Angebot bei weitem übersteigt. Respekt flößt auch ein, dass man nur an den Boxen den Rennsprit nachfüllen darf. Eigene Gallonen sind streng untersagt. Dafür hat das Benzin aber auch 102 Oktan und wird kostendeckend für 4,35 € vom Tankservice abgegeben. Kosten sollten also keine Rolle spielen, wenn manche Fahrer gleich mit mehreren Fahrzeugen teilnahmen. Die hohen Temperaturen von über 30 Grad spielten eine weitere Rolle bei der Budgetplanung beziehungsweise der Endabrechnung. Höchstdrehzahlen im 4. oder 5. Gang wurden auf den – jeweils zirka 2,5 Kilometer langen – Geraden in Le Mans von vielen Motoren nur ungern akzeptiert, und so gab es technikbedingt viele Ausfälle. Der Spruch „Wer mit seinem Team alle sechs Autos durchbringt, ist ganz vorn dabei“ sollte sich einmal mehr bewahrheiten (alle Ergebnisse unter www.peterautoracing.alkamelsystems. com´ mit lapcharts und Höchstgeschwindigkeiten).

Gab es etwas, dass alles toppte? Ja, die beiden Jaguar D-types aus dem Le Mans Katastrophenjahr 1955 fuhren in Grid 2 mit den Semiprofis Carlos Monteverde/Gary Pearson auf Platz eins und Patrick Simon auf Platz zwei alles in Grund und Boden. Auch der Podiumsplatz von Urs Beck in Grid 6 im Scuderia M66-Porsche 935 ist in Anbetracht der Konkurrenz im schnellsten Grid des Wochenendes sehr bemerkenswert. Unser mit sechs Autos angetretenes Scuderia Carolus Magnus-Team beklagte zwei Totalausfälle. Wir verloren den von mir gesteuerten Kieft 1100 Climax mit zwei Motorschäden (!), und der Porsche 930 Gr.IV von Schnitzler/Ludwig gab nach dem ersten Lauf den Geist auf. Umso lobenswerter ist, dass Albert Otten im BMW 328 Platz vier erreichte und Malte Fromm zusammen mit Vater/Sohn Ebeling in Grid 4 auf dem grandiosen Bizzarini 5300 auf den 10. Platz vorfuhren. Auch die guten Platzierungen von Albert Streminski im Tojeiro in Grid 4 mit Platz 24 und Frank Jacob im Lola auf Platz 32 in Grid 5 (trotz eines ausgelassenen Laufes) hätten für ein gutes Teamergebnis gesorgt, wenn…ja wenn da nicht die „Fahrradkette“ gewesen wäre. Die wahren Gewinner der  Le Mans Classic 2018 waren also einmal mehr die Teams mit den zuverlässigsten und bestens vorbereiteten Autos. Ihnen gehört der Champagner in Le Mans. Und da man das in diesem Fall einmal anhand der Autos überprüfen sollte, sind hier ausnahmsweise nicht Fahrer, sondern Rennautos aufgeführt:

1.Team # 38:

Bentley 4,5 L LM 1926, Jaguar XK 120 1951, Morgan + 4 1962, Lotus Elan 1965, Duckhams Ford 1972, Porsche 935 K3 1977

2.Team # 70:

Bentley 4,5 L 1928, Osca S 1500 1957, Corvette C1 1962, Shelby Cobra 289 1963,Lola T70 MK III 1969, Lola T298-BMW 1979

3.Team # 1:

Bugatti Type 44 1929, Aston Martin DB2 1950, AH 3000 MK I 1960, Ferrari 275 GTB 1966, Howmet TX 1968, Inaltera GT 1976

Da ich als Teilnehmer der ersten Stunde seit 2002 alle  Le Mans Classic-Events mitgemacht habe, möchte ich potenziellen Teilnehmern oder Zuschauern einige Tipps und Ratschläge geben:

a) Die Veranstaltung gilt nicht als billig; das Nenngeld liegt bei 6500 €, und auch das Motorhome und ein Roller kosten an Gebühren 325 €. Das Benzin muss vor Ort erworben werden! Sie wissen schon: dreifacher Literpreis.

b) Ein Rennauto kann von ein bis vier Fahrern geteilt werden. Sinn macht aber nur eine Aufteilung zu zweit. Das Auto sollte nach Le Mans- Gesichtspunkten ausgewählt werden – je älter, je größer die Chance auf einen Start.

c ) Die Organisation klappt perfekt…wenn man sich vorher rechtzeitig um alles kümmert, komplette Nennung, HTP und – wenn man genommen wird – die Bezahlung. Für Juli 2020 geht es los im Dezember 2019. Im Januar 2020 gibt es keine Startplätze mehr!

d ) Die Anreise sollte so geplant werden, dass man mittwochs dort eintrifft.

e ) Ohne Motorhome geht es eigentlich gar nicht. Eine gewisse Selbstverpflegung ist dringend empfohlen. Aber es gibt auch Mobilhäuser oder Caravans auf dem Gelände zu mieten. Die öffentlichen Dusch- und Toilettenanlagen sind eher gewöhnungsbedürftig, teilweise noch französisch – wie früher.

e ) Die Rennorganisation klappt vier Tage lang lückenlos und perfekt. Da geht das Herz eines Rennfahrers richtig auf. Dennoch Vorsicht bei technischen Veränderungen am Fahrzeug: Die Kommissare sind Profis – die 1.800 Streckenposten auch.

f ) Wer eine prominente Rennfahrerlegende zu seinem Bekanntenkreis zählt, hat für sein Auto gute Aussichten, einen Startplatz zu bekommen – wenn die Legende auf dem Auto auch mitfahren will.

Die Profidichte war in 2018 wieder einmal sehr hoch. So wissen die Damen und Herren zwar, dass es bei den  Le Mans Classic um echten Rennsport geht, aber die mentale und körperliche Anstrengung hält sich für Profis auf der 13,8 Kilometer langen Piste doch in Grenzen. Es sei denn, man ist wie Marco Werner mit Vorrennen in drei bis vier Autos unterwegs. Und dies waren in diesem Jahr die Ex-Profis, die sich sehr darauf gefreut haben, die legendäre „Hunaudières“ wieder einmal unter die Räder zu bekommen und sich mit den überwiegend sehr fairen „Gentlemendrivern“ um den Eingang zur ersten Kurve zu prügeln: sowie Jacques Lafitte, René Arnoux und Paul Belmondo jr. Auch Claudia Hürtgen aus Aachen freute sich, hier dabei zu sein. Das einmalige Konzept der  Le Mans Classic basiert auf 3 Pfeilern: der legendären Rennstrecke, der Auswahl historischer Rennautos aus sechs Epochen und dem Mythos dieses 24h-Rennens. Während man anfangs noch die relativ kurzen Fahrzeiten der einzelnen Autos bemängelte, stellte sich im Laufe der Jahre und mit zunehmendem Alter der Fahrzeuge und Fahrer heraus, dass dieses Rennprogramm für diese Klientel der „goldene Schnitt“ ist. Und selbst wenn man sich als Fahrer noch relativ fit fühlt, so ist das Wochenende für die Rennautos in Le Mans doch mit erheblichem Stress verbunden. Eine erste Auswertung ergab, dass von 450 Autos 78 ausfielen und an den meisten Autos während der Einzelrennen doch erheblicher Wartungsbedarf anfiel. Eine grobe Schätzung vermutete 50 Motorschäden. Also stellt sich hier sicher nicht die Frage, ob man den altgedienten Schätzchen noch mehr Fahrzeit antun will. Allerdings gibt es ja zwischenzeitlich in Daytona ebenfalls ein 24h-Rennen für historische Rennwagen – nach gleichem Muster wie bei den  Le Mans Classic, nur mit etwas längeren Fahrzeiten. Aber – die Antwort eines Teilnehmers auf die Frage nach Güte der Autos und technischer Kontrolle war nur eine abwertende Handbewegung. Und Zuschauer? „Gar keine“, war die Antwort. Das mag etwas übertrieben sein.

Aber Alles in Allem wird sich jeder Veranstalter gegen Patrick Peter´s  Le Mans Classic schwer tun. Und so ist auch klar, dass fast alle Teams in 2020 zur 10. Ausgabe der  Le Mans Classic wieder an den Start wollen. Andy Prill – englischer Porsche-Spezialist und -Händler und seit 2002 ebenfalls dabei – wurde nach dem Status der  Le Mans Classic befragt. Er brachte es in englischer Sprache mit drei Worten auf den Punkt: „Worldwide the best…“

Dem ist kaum etwas hinzuzufügen. Genießen Sie die Bilder!